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Vietnam

Geschichte und Architektur in Hué

Ben, unser australischer Gastgeber in Phong Nha, hat uns mehrmals die Weiterreise nach Hué mit einer integrierten Führung empfohlen, die wir schlussendlich auch buchen. Die Fahrt dauert eigentlich nur dreieinhalb Stunden, doch mit der Besichtigung von einem Museum und den Tunnels in der DMZ (demilitarisierten Zone) verbringen wir fast sechs Stunden in einem stark durch die Kriege geprägten Gebiet.

Unser Busfahrer steuert uns quer durch Landstrassen, Dörfer und stoppt nach einer engen Quartierfahrt vor einem grossen Shop. Die Tourgruppe versammelt sich bei unsicheren Wetterverhältnissen hinter dem Bus und wird von einer Vietnamesin freundlich begrüsst. Sie vermittelt uns kurz, dass wir nun beim Vinh Moc Tunnelsystem sind und gibt uns einige Informationen zum Ablauf der Führung. Vor einem Gebäude bleibt Sie stehen und erklärt uns, dass in diesem Gebiet über 40km lange Tunnel angelegt wurden und sich im Gegensatz zu den Tunneln in Ho Chi Minh ganze Dörfer darin befanden. In HCMC waren die Tunnels anscheinend nur für Soldaten angelegt worden und sind dementsprechend klein.

Wir gehen in das Gebäude und sehen uns duzende Bilder an, die während dem Vietnamkrieg hier aufgenommen wurden. Einige stellen dar, wir gekocht, gelernt, gelebt und gemeinsam gespielt wurde und andere wiederum wie gekämpft getötet und zerstört wird. Die Gefühle beim betrachten der Bilder könnten kaum unterschiedlicher sein, denn neben Tot und Zerstörung besteht auch grosser Zusammenhalt und Lebensfreude unter den abgebildeten Personen.

Ein etwas mulmiges Gefühl macht sich breit, als einer nach dem anderen in den engen Tunneleingang Nummer 5 hinabsteigt. Die Wände sind teils aus Holz und an anderen Stellen aus Fels. Mit eine Höhe von 1.8m und etwa 60cm Breite kann der Grossteil der Gruppe ohne Probleme aufrecht durch die Schächte gehen und laufen gezielt weiter bis wir bei einem etwas grösseren „Raum“ ankommen. Der Meetingroom ist eine Kammer, in der einst Schulstunden, Filmvorstellungen und Besprechungen stattgefunden haben. Hier führen alle Gänge zusammen und jeder Ausgang ist einfach und schnell zu erreichen.

Der angenehme Luftzug wird durch grosse Belüftungsschächte, die senkrecht nach oben führen, und dem frischen Meerwind erzeugt. Die Temperaturen bleiben so konstante 25C und die Luftqualität ist trotz den 15m Erde über uns sehr gut. Damals wurden die Gänge jedoch durch Öllampen oder dem Verbrennen von Bambus beleuchtet und die Luft muss massiv schlechter gewesen sein.


An einigen Stellen führen Schächte mit glatten Böden steil nach unten. Hier geht es direkt in die Waffenkammern, die aus Sicherheitsgründen 25m tief liegen. Kaum können wir uns vorstellen, wie hier während 6 Jahren über 600 Menschen mit nur einer Küche und einem WC einst gelebt, gearbeitet und gekämpft haben. Den Rauch der Küche wurde durch Gänge weggeleitet, sodass sich der Rauch über dem Boden verteilte und der Feind meinte, dass es Bodennebel sei. Die Schlafkammern liegen direkt an den Tunneln und sind enorm klein ausgemessen. Die kleineren Kammern wurden von zwei bis drei Personen benützt und die etwas grösseren von vier Personen. Durch mehrere Tunnels und in unterschiedlicher Richtungen laufen wir fast eine halbe Stunde durch den Untergrund und kommen bei einem etwas abgelegenen Ausgang direkt ans Meer. Das unsichere Wetter hat sich noch etwas verschlechtert und es regnet ziemlich stark. Zum Glück ist der Bus nicht weit von uns entfernt und wir können bald wieder im Trockenen sitzen.

Etwa 20 Minuten weiter Richtung Süden erreichen wir unseren nächsten Stop. Das DMZ Museum hat vielen Bilder, Waffen und andere geschichtsträchtige Gegenständen und erinnern an die Zeiten kurz vor dem amerikanischen Krieg. Die DMZ wurde 1954 in Genf zu einer Friedenszone erklärt und Vietnam wurde zweigeteilt. Hier grenzte der kommunistische Norden an den Süden und nur wenige Brücken verbanden die beiden Landesteile. Während zehn Jahren ist diese Zone grösstenteils kriegsfrei, wurde aber von beiden Seiten massiv mit Propaganda aus riesigen Lautsprechern beschallt. Zudem wurden riesige Fahnen so hoch als möglich gehängt, um die Macht der beiden Staaten zu signalisieren. Der Guide sagt: «es war zwar eine kriegsfreie, aber extrem laute Gegend während den 1950er Jahren.»

Zum Schluss der Führung laufen wir über eine alte Eisenbrücke, die den Übergang vom ehemaligen Nord- zu Südvietnam markiert.

Schliesslich kommen wir an unserem letzten Ziel an. Hué ist die Kaiserstadt von Vietnam, denn von 1802 bis 1945 residierten hier die vietnamesischen Kaiser und machten den Ort zur Hauptstadt Vietnams. Mitten in der Grossstadt befindet sich ein riesiges Areal mit Tempeln, Gärten und andern Gebäuden, die von einer grossen Mauer umgeben sind. Rund herum liegt die Altstadt mit vielen Geschäften, Restaurants und üppigem Verkehr. Hier setzten wir uns erst einmal auf eine Bank im Park und wollen vor der anschliessenden Besichtigung noch einiges über die Geschichte und die Kriege in Vietnam in Erfahrung bringen. Gespannt lesen wir viele Artikel und Beiträge rund um Hué und Vietnam, bis wir uns schliesslich gut vorbereitet auf den Weg machen (Eine kurze Übersicht zu unseren Recherchen ist zu unterst im Beitrag angefügt).

Durch das grosse Zugangstor, welches einst nur Kaisern, Königen und der kaiserlichen Armee offen stand, betreten wir die Kaiserstadt. Dahinter befinden sich mehrere in sich abgetrennte Bereiche, die wir einen nach dem anderen besuchen. Der hilfreiche Audioguide bietet uns neben der unterhaltsamen Musik auch immer wieder spannende Informationen zu den Gebäuden, damit wir uns nach und nach vorstellen können, wie hier einst gelebt wurde.

Während den Indochina und amerikanischen Kriegen wurde die Kaiserstadt immer wieder stark bombardiert und von 148 Gebäuden sind nur 20 Stück übrig geblieben. Viele der Gebäude sind danach nicht wieder aufgebaut worden und in einigen Teilen sind nur noch Grundmauern von einstigen Tempeln oder Kaisergebäuden zu sehen. Besonders die purpurene Stadt, das Zentrum der Kaiserstadt, ist heute kaum mehr zu erkennen. In den letzten Jahren hat die Stadt jedoch massive Restaurierungsarbeiten geleistet, um dem historischen Stadtteil wieder neuen Glanz zu verleihen.

Heute ist Hué zwar nicht mehr die Hauptstadt, hat sich aber zu einer modernen, touristischen Hochburg entwickelt und zählt seit 1993 zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Geschichtsinput zu Vietnam (für Interessierte)
Vietnam ist ein Land, das für sehr lange Zeit von anderen Grossmächten kontrolliert wurde. Die Zahlen «1000 – 100 – 10» helfen dabei, die Geschichte Vietnams zu vereinfachen: Während fast 1000 Jahren wurde Vietnam von den Chinesen dominiert. Das ist auch der Grund, warum in vielen Teilen des Landes alte chinesische Tempel bestaunt werden können. Die nächste Zahl, 100, steht für die Dauer, während der Vietnam unter französischer Kolonialherrschaft stand. Die Franzosen vergrösserten ab ca. 1850 ihren Einfluss in Vietnam massiv und nahmen Saigon (das heutige Ho Chi Minh) in Beschlag. Von Süden aus nahmen sie nach und nach weitere Gebiete unter Kontrolle und sicherten sich Territorien und Ressourcen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 erlangte Vietnam die Unabhängigkeit.

Die Ruhe währte jedoch nicht lange, denn schon kurze Zeit später erzwangen die Franzosen die Wiedererrichtung ihres kolonialen Regimes in Südvietnam. Von Norden her marschierten chinesische Truppen in Vietnam ein und das führte 1946 zum Ausbruch des Indochinakrieges. 1954 wurde auf der Indochinakonferenz in Genf beschlossen, dass Vietnam zweigeteilt wird. Nordvietnam mit der Viet Minh Bevölkerung hatte die Hauptstadt in Hanoi, war eher chinesisch und daher kommunistisch ausgerichtet und wurde von Präsident Ho Chi Minh regiert. Südvientam mit den Viet Cong hatte die Hauptstadt in Saigon und war westlich und daher antikommunistisch ausgerichtet.

Nun kommt die letzte Zahl ins Spiel: «1o». Im Jahr 1964 startete der fast 10 Jahre andauernde Vietnamkrieg, oder wie er hier genannt wird, der amerikanische Krieg. Die Amerikaner befürchteten nämlich einen sogenannten «Domino Effekt» und zwar dass der Kommunismus der Nordvietnamesen auf Südvietnam überschwappt und die dann ebenfalls kommunistisch sind. Deshalb marschierten die Amerikaner in Südvietnam ein und bombardierten während eines Jahrzehnts das Land. Im Kriegsmuseum in Ho Chi Minh wird sehr eindrücklich und bildlich dargestellt, welche Greueltaten während dieses Krieges verübt wurden. Fast 3 Millionen Menschen sind gestorben (darunter 2 Millionen Zivilisten) und ca. 14 Millionen Tonnen Sprengstoff wurde eingesetzt. Vor allem auch der Einsatz des Entlaubungsmittels «Agent Orange» wird heftigst kritisiert und die Spuren sind noch lange nach dem Krieg spürbar. Etliche Nachkommen von Menschen, die damals während dem Krieg mit dem Mittel in Kontakt kamen, haben Missbildungen oder andere Behinderungen – bis heute. Es hat uns daher wenig erstaunt, dass sich Vietnam als Experimentgelände für amerikanische Kriegswaffentechnik betrachtet und den Kriegseinsatz der USA als Genozid, also Völkermord, betitelt.

Der Druck auf die USA nahm vor allem auch von der eigenen amerikanischen Bevölkerung her zu (z.B. durch das Peace Movement von 1969) und es wurde zunehmend schwerer, die Präsenz der USA in Vietnam zu rechtfertigen. Endlich, im Jahr 1975 stand Saigon und damit die USA vor dem Fall und die letzten amerikanischen Streitkräfte wurden evakuiert. Zurück blieb ein Feld der Zerstörung und Armut und noch heute müssen x Hektar Land von Minen und andere nicht-detonierten Bomben gesäubert werden.

1976 erfolgte die Wiedervereinigung vom Norden und Süden zur Sozialistischen Republik Vietnam. Weil der Norden ja den Krieg gewonnen hatte, wurde die Hauptstadt nach Hanoi im Norden verlegt und die ehemalige südliche Hauptstadt Saigon wurde kurzerhand in Ho Chi Minh umgetauft (also der selbe Name des damaligen nordvietnamesischen Präsidenten Ho Chi Minh).

Seither erholt sich das Land von den langen Kriegsjahren und baut die Wirtschaft auf. Seit 1986 betreibt die kommunistische Partei Vietnams, ähnlich wie China, eine liberalere Politik hin zu einer sozialistischen Marktwirtschaft. Dies hat Wirkung gezeigt, denn seit 1986 fiel die Armut von 50% auf 11% im Jahr 2012. Während in den 80er Jahren noch Nahrungsmittelknappheit herrschte, ist Vietnam nun der 3. grösste Reisexporteur der Welt.

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